Wutzrock-Splitter - Übrigens...

Es war nicht alles schlecht. Zufriedener Wutzrocker beim Bühnenbau.

Wer sich noch erinnert, muss schon ganz schön alt sein. Wie war das noch beim ersten Wutzrock? Gab es überhaupt schon Strom? War früher wirklich alles besser – und aus Holz? Die erste Wutzrock-Bühne übrigens bestand aus quadratischen Holzelementen.
Unter dem Titel "Übrigens..." haben wir eine kleine Reihe mit Erinnerungssplittern aus den Anfängen von Wutzrock zusammengestellt. Für alle, die's wissen wollen und solche, die dabei waren. Viel Spaß beim Lesen.

Der Gitarrist mit Wissen und Geräten

Übrigens...
war es beim ersten Wutzrock gar nicht so einfach, genug Akustik von der Bühne zu bringen, um die Leute laut und satt mit Musik zu beschallen. Immerhin kannte jemand einen, der Musiker war und richtig große Boxen hatte. Zum Glück hatte er auch alles andere, was man an Technik für eine Beschallung großer Räume brauchte. Dieser Bekannte war dann auch der Tontechniker beim ersten Wutzrock im Billtalstadion. Es stellte sich heraus, dass er auch noch selbst Musik machte und sogar in einer Band spielte. Alles, was er als Gegenleistung für seine Leihgaben und seine Arbeit verlangte, war die Zusage, dass er und seine Band beim nächsten Wutzrock spielen durften.
Wie sich heraustellte, war das für Wutzrock eine richtige Win-Win-Situation. Denn der Mann mit den Geräten und dem technischen Wissen war der Gitarrist von den Druckknöpfen, die dann bei zweiten Wutzrock spielten.

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Die Lichttechnik bestand damals übrigens aus mehreren sehr langen Holzlatten, auf denen eine ungeheure Anzahl Fassungen für Glühbirnen montiert war. Bestückt wurden sie mit allen bunten Glühbirnen, die sich auftreiben liessen. Aber so richtig dunkel ist es so kurz nach dem Sommeranfang gar nicht geworden – offizielles Ende der Veranstaltung war 22 Uhr.

Der Vater mit Balken und Bauklemmen

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Übrigens...
gelang es für das erste Wutzrock längst vergessene Bühnenelemente aus dem Fundus des Bezirksamts wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wer den Tipp gab, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Jedenfalls stimmte die Information, und das Bezirksamt hatte sehr schnell keinen Grund mehr, das Gemeineigentum den gemeinnützigen Veranstalter*innen vorzuenthalten.

Die logistische Schwierigkeit bestand allerdings darin, den Lagerplatz der 50 Holzelemente ausfindig zu machen und dann gut 150 Kubikmeter raumgreifende Bühne zum Festivalplatz zu transportieren. Aus dem Material ergaben sich dann 30 quadratische, hölzerne Türmchen von zwei Meter Höhe. 

Weil die Bühne vermutlich für eine Aula oder Ähnliches gedacht war, jedenfalls für einen sehr ebenen Untergrund, waren die Elemente nicht mit- oder untereinander standfest zu verbinden. Die Fläche musste also absolut plan sein. Diesen Hinweis immerhin gab das Bezirksamt noch, und mahnte auch, dass die Leihgabe so unversehrt zurück zu bringen sein, wie empfangen.

Das Wichtigste, die Bühne, war also organisiert. Und der Rest dann schnell erledigt. Aus der väterlichen Zimmerei eines der Veranstalter*innen gab es die Balken für die Dachkonstruktion sowie die nötigen Bauklemmen, um die Dach- und Stützbalken ohne Gebrauchsspuren verbinden zu können, sogar mit den Bühnenelementen. Darüber gespannt wurde dann die Dachhaut aus LKW-Planen unbekannter Herkunft. Nach dem ersten Wutzrock war diese Plnenlösung zwar nie Gegenstand einer der wöchentlichen Vorbereitungssitzungen für das folgende Festival. Aber alle wussten es zu schätzen, dass irgend jemand für sich und die anderen selbstständig beschlossen hatte, beim nächsten Mal knappes Vereinsgeld für richtige Leihplanen auszugeben.

Der entschlossene Spaß und die handwerkliche Unkompliziertheit der jungen Veranstalter*innen schien Eindruck zu machen beim Bezirksamt. Jedenfalls verzichteten sie in den ersten Jahren darauf, Wutzrock vor die bürokratische Herausforderung zu stellen, einen Antrags auf baurechtliche Genehmigung vorzuweisen. Vielleicht hat sich diese Notwendigleit aber auch erst gemeinsam mit der häufigeren und intensiveren Nutzung von Großbühnen und -technik ergeben. Auf den Billewiesen musste dann aber ordentlich Sand herbeigeschafft werden, um eine gerade Standfläche für die Bühnenelemente herzustellen.

Die singende Dame im Körper eines Mannes

Übrigens...
war Wutzrock auch beim Thema sexuelle Selbstbestimmung immer ganz vorn. Eine Selbstverständlichkeit eigentlich, wenn es wie bei Wutzrock um die Eroberung kultureller Freiräume geht. Wie umfassend solche Räume sein können, eröffnete sich dem erwartungsfrohen Publikum schon beim zweiten Wutzrock. An einem sonnigen Samstagnachmittag präsentierte Ernie Reinhardt, als Dame im Körper eines Mannes und als vielleicht erste, bestimmt aber beste Chansonette Hamburgs ihr musikalisches Programm von Mae West bis Marlene Dietrich. Ob diese Performance oder die wirklich ausgefeilte Conference den andächtig Lauschenden das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung in der Folge zu einer Herzensangelegenheit machte, ist unbewiesen. 

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Bewiesen ist allerdings, dass sich zwischen dem crossdressenden Menschen auf der Bühne und dem mehrhundertköpfigen Publikum wahre Liebe entspann — musikalisch begleitet von einem wirklich supercoolen Barpianisten am E-Piano.

Und wie ging es weiter mit der sexuellen Selbstbestimmung? 1989, beim 20. Wutzrock, beschloss die Hamburger Bürgerschaft übrigens die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, Hamburger Ehe genannt. Und seit dem 39. Wutzrock kann sowieso jedes heiraten wie es will. Ernie Reinhardt ist schon bald nach ihrem Wutzrock-Auftritt ziemlich bekannt geworden. Als Lilo Wanders galt ihr kulturelles Motto dem respektvollen Umgang miteinander: Öffnet die Herzen und herzt die Öffnungen.

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